Text 1
Weihnachtsfeier – warum am 25.12.?
Geweihte, heilige Nacht, Nacht, in der die Gnade Gottes in Jesus Christus Mensch wurde. Erste Versuche, den Tag der Geburt Jesu auf den 25.12. zu legen, gab es schon um 220 n.Chr. Seit dem 4. Jahrhundert konnte er sich dann durchsetzen.
- Warum dieses Datum?
- Wegen des Sonnenkults der Römer?
- Wegen des ägyptischen Horus?
- Wegen Mithras?
- Wegen den germanischen Rauhnächten?
- Weil im Julianischen Kalender der 25.12. Wintersonnwende ist (im gregorianischen der 21.12.)?
- Weil der Tag der Ankündigung der Geburt der 25. März ist?
Aber es ist ja im Grunde auch gleichgültig, warum dieser Tag gewählt wurde, auch wenn er nachträglich symbolisch gedeutet werden kann. Wichtig ist: Jesus Christus als Licht der Welt erleuchtet mein Herz.
Wie auch immer Ihr Weihnachten feiert: Jesus Christus ist das Licht – wir gehören zu dem Licht. Und was folgt?: Lebt als Kinder des Lichts.
In der Ost-Kirche feiert man schon vor der römischen Berechnung am 6.1. – also am Epiphanias Tag – die Geburt Jesu.
*
Text 2
Historisch-kritische Darlegungen der matthäischen und lukanischen Weihnachtsgeschichte
Zur Weihnachtsgeschichte des Matthäus: https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/jesus-christus/geburtsgeschichte-matthaeus/
Zur Weihnachtsgeschichte des Lukas: https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/jesus-christus/geburtsgeschichte-lukas/
Geburtsgeschichten Kritik: https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/jesus-christus/geburtsgeschichten-kritik/
Jungfrauengeburt: https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/jesus-christus/reflexion-2-jungfrauengeburt/
Maria: https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/jesus-christus/maria/
*
Text 3
Glaube und Historische Untersuchungen
Nein, so einfach ist das nicht – und so einfach bin ich auch nicht gestrickt, dass ich nicht in der Lage sein sollte, auf verschiedenen Ebenen zu denken. Einfach zu sagen: Was mit den Mitteln historisch-kritischer Exegese nachvollziehbar ist, das ist wahr – alles andere ist Lüge. Was man sich denken kann, das ist richtig, was man sich heute nicht denken kann, ist falsch.
Es ist die Sprache der Religion, die wir in den Geburtsgeschichten finden. Und es ist nicht nur poetisch zu fassen – wir stehen in der Tradition des Judentums. Gott ist nicht nur poetisch aktiv – er ist in der Geschichte aktiv. In den Weihnachtsgeschichten wird für mich der Glaube, der vom handelnden und auferstandenen Jesus Christus ausgeht, Wort. Er wird Geschichte – und er prägt Geschichte.
Die Frage ist für mich nicht: Warum haben Matthäus und Lukas (und vgl. auch Johannes 1) Geschichten, die viele heute nicht mehr als historische Ereignisse nachvollziehen können, in das Evangelium eingebracht? Die Antworten wären vielfältig – aus der damaligen Zeit heraus, weil man ein ganz anderes Denken hatte als wir heute in unserem a-theistischen Weltbild denken können. Man hatte eine ganz andere Form von Exegese usw. Meine Frage gilt also nicht den Evangelisten, sondern eher dem Heiligen Geist: Warum hat er in die Evangelien Geschichten hineinweben lassen, die Menschen zu allen Zeiten, vor allem aber im 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts in ihrem Denken, das auf Historisches fixiert ist, nicht mehr verstehen werden? (Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist absichtlich so formuliert worden, denn wer weiß, wie die Menschen in Zukunft denken werden? Vielleicht erkennen sie in den Geburtsgeschichten mehr historische Wahrheit als wir heute, weil sich die Interpretation von „historisch“ und „Wahrheit“ verändert hat usw. Zum Beispiel hat man im 19. Jahrhundert vor der intensiven Beschäftigung mit der Psychologie die Wunder anders interpretiert als in der Gegenwart mit der Psychologie.)
Meine vorläufige Antwort – eine andere habe ich zurzeit nicht:
Mit den Geburtsgeschichten haben Glaubende und Nichtglaubende ewig etwas zu rätseln und können sich an der Wirkungsgeschichte erfreuen. Und an dieser Wirkungsgeschichte habe ich Anteil.
Die Grundlage dieser Formulierung ist: Die Bergpredigt mit ihren äußerst extremen Formulierungen, die in ihrer Extremität (Auge ausreißen…) Rhetorik – Aufmerksamkeitsrhetorik – sind, aber in ihren eigentlichen Forderungen den Menschen auf den Kopf stellen: den anderen nicht beschimpfen, Frauen nicht mit begehrlichem Blick und begehrlicher Hand erniedrigen, nicht am Eigentum kleben, auch wenn er notwendig ist (Mantel), Feinde lieben – bis hin zur Selbstaufgabe. Die linke Hand soll nicht wissen, was die rechte Hand tut – auch so eine extreme Formulierung, die Natur des Menschen übersteigt, aber eben gegen Heuchelei gerichtet ist. Die Antithesen fordern Gemeinschaft – und versuchen die Grundlage für eine Gemeinschaft zu legen, in der man andere nicht erniedrigt. Gleichnisse, die ähnlich heftig sind, die fordern, dass man mit Ausgestoßenen und Gesetzesbrechern feiert, weil Gott ihnen vergibt, Menschen, die viel gearbeitet haben, bekommen den Lohn, den auch diejenigen bekommen, die wenig gearbeitet haben… – es tut sich eine andere Welt auf! Wir ahnen, es ist eine Welt, die schön wäre, die wunderbar wäre – aber es ist eine Welt, die wir Menschen so nie hinbekommen werden. Darum leben wir davon, dass wir einander vergeben, dass wir auf unsere Unzulänglichkeit schauen, nicht auf die anderer, dass wir Gott um Hilfe bitten, dass wir wissen: Gott allein wird letztlich diese Welt herbeiführen können – aber er will, dass wir schon jetzt das Unsere dazu beitragen.
Damit will ich sagen: Wir rätseln ja nicht allein über die Weihnachtsgeschichten, die Auferstehung, die Wunder, sondern die Lehre Jesu selbst ist es, die uns rätseln lässt. Und: Gott wird Mensch! – Das sind alles Aussagen, die Menschen seit 2000 Jahren sowohl akzeptieren als auch ablehnen. Wir leben heute ja nicht in einer Phase, in der allein die Kritiker auf dem Plan stehen. In der Kirche selbst gab und gibt es die massivsten Kritiker. Wer versucht nicht, diese Rätsel zu lösen? Und was passiert, wenn wir versuchen, uns da hinein zu arbeiten? Ihre Größe wird – zumindest mir – deutlich. Eben: Der Heilige Geist ist es, der diese Wirkungsgeschichte auch weiterhin in Bewegung halten wird. Wie das Rätsel zu lösen sein wird? Ich bin gespannt. Vielleicht ist es auch ganz einfach. Wir kommen einfach mit unserer Klugheit nicht darauf. Ich denke sogar, dass es ganz einfach sein wird.
Historisch-kritisch frage ich mich: Warum haben gerade die Evangelien, die von der Jungfrauengeburt berichten, warum haben gerade sie einen Stammbaum, der auf Josef zuläuft? Waren die Evangelisten so dumm, das nicht zu merken? Oder, was die Jungfrauengeburt betrifft: rationalistische Antworten gab es schon bei den Rabbinen (Maria wurde von einem Römer vergewaltigt und wollte es vertuschen). Oder: Mussten sie diese auf Josef als Vater zulaufen lassen, damit man sie verstehen konnte – damals schon? Es handelt sich in den Evangelien um den Glauben „kleiner Leute“. Beide Kindheitsgeschichten sind extrem herrschaftskritisch (Matthäus gegen die Willkür des Herodes – Gott geht seinen Weg gegen diese Willkür, die letztlich für Gottes Weg unbedeutend ist. Lukas sieht Augustus auch in der Macht Gottes – er lässt das Volk zählen und führt gerade darum den Erlöser wie verheißen wurde, nach Bethlehem). Nicht die klugen menschlichen Herrscher und ihr Heer an Beratern haben letztlich die Geschichte in der Hand, sondern Gott. Zudem wendet sich Lukas gegen die traditionelle Messiaserwartung, die hoffte, dass der Messias die Römer aus dem Land werfen wird; Jesus bzw. Gott hat ein ganz anderes Interesse, ein tiefer gehendes: Befreiung des Menschen von Sünde und Tod. Zudem sei angemerkt: Die Evangelisten haben bekanntlich nicht alles aus dem Alten Testament aufgegriffen und auf Jesus übertragen, sondern nur das, was von den Ereignissen her irgendwie passend war. So haben sie aus meiner Perspektive erst die Überlieferung der Jungfrauengeburt gehabt – und sie wurde dann mit Hilfe des alttestamentlichen Textes verstanden (Jes 7,14). Nicht umgekehrt. Darum haben wir ja die Holpereien: Matthäus versuchte aus der Tradition seiner Zeit das Leben Jesu mit einzelnen alttestamentlichen Stellen zu verstehen – und dabei kam dann so etwas heraus: Jesus soll Immanuel heißen – und so kam man von Jeschua zu dem Bibelvers. Oder statt Nazarener sieht er in Jesus den Nazoräer… Exegetisch aus unserer heutigen Perspektive nicht sauber – aus unserer heutigen Perspektive.
Wir haben hier also unterschiedlichste Ebenen, die wir fein säuberlich mit dem Seziermesser der gegenwärtigen Exegese auseinanderhalten können: Die historische Ebene – weltpolitisch gesehen (Herodes, Augustus, Israel, Städte und Dörfer und Länder: Jerusalem, Nazareth, Bethlehem; Ägypten, jüdische Messiaserwartung…). Wir haben die kleine historische Ebene von ein paar Individuen (Maria, Josef – weitere historisch korrekte Infos: Beschneidung des Säuglings usw.). Dann haben wir die Ebene der von Matthäus und Lukas aufgenommenen Traditionen und die redaktionelle Verarbeitung durch die Evangelisten mit ihrem jeweiligen theologischen Interesse. Matthäus aus der Perspektive des Josef, Lukas aus der Perspektive der Maria. Und zuletzt haben wir eben die Ebene des Glaubens, die mit unserem Verständnis von Historischem nicht kompatibel ist: die Welt der Träume, durch die Gott spricht, die Welt, in der Gottes Mächte (Engel) agieren, der Kosmos – nicht nur die Geschichte und die Menschen sind in Wallung – der Stern, der Geist Gottes, der im Hebräischen feminin ist – diese schöpferische Macht Gottes weist die Männer in die Schranken, wie auch das Johannesevangelium sagt: Geboren nicht nach dem Willen eines Mannes, sondern durch Gottes Wirken. Die Ebene des Glaubens findet in diesen Weihnachtsgeschichten wunderbar sprachlich Ausdruck. Kleine einfache Menschen werden durch Gott aus ihrer gewohnten Welt herausgerissen und lernen, sich trotz aller Gefahren zu bewähren. (Nur am Rande: Welche Infos kommen von Maria? Sie war ja noch am Leben, als sich die frühe Gemeinde zu formen begann?)
Die historische Ebene ist doch nur ein ganz kleiner Bereich unserer menschlichen Erkenntnis. Für manche ist sie alles – aber sie ist eben nur ein kleiner Bereich. Und das unterscheidet eben auch das Weltbild, das wir immer wieder in unserer Diskussion haben: Das religiöse Weltbild zieht andere Dimensionen mit heran, die das – wie sonst auch immer zu benennende areligiöse Weltbild – nicht kennt bzw. nicht in das Denken einbeziehen will. Ich sehe die Weihnachtsgeschichten heute (!) als Texte an, in denen der Glaube Wort gefunden hat. Und dann nicht nur das, sondern, um das oben genannte aufzugreifen: Dieser Glaube hat in den Geschichten Wort gefunden – und hat durch dieses Wort Geschichte wunderbare Geschichte gewirkt. Und diese gewirkte Geschichte kann dann auch ein Historiker mit den Mitteln seiner Kunst erarbeiten und nachvollziehen – auch wenn die Grundlage selbst ein Rätsel ist.